Les Rencontres d’Arles 2025 – Inspiration für Abstraktion & zeitgenössische Fotografie

Inhaltsübersicht

Ein Jahr ist vergangen, seit eines meiner abstrakten Fotokunstarbeiten die Wände in Arles schmückte. Die Stadt, die jedes Jahr zum Epizentrum der Fotografie wird – Les Rencontres d’Arles – hat nicht nur wegen meiner internationalen Premiere einen festen Platz in meinem Herzen. Für mich ist dieses Festival weit mehr als eine Sammlung von Ausstellungen: Es ist ein visueller Spielplatz und eine fortwährende Inspirationsquelle, die meinen Blick für die Abstraktion in der Welt neu schärft.

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Besucher im Palais de l’Archeveche, Arles

Eine Reise durch die Vielfalt der Fotografie: Ausstellungs-Highlights

Man taucht ein in ein Kaleidoskop von Bildern, eine schier endlose Reise durch insgesamt über 170 Ausstellungen, die sowohl im offiziellen Programm als auch im begleitenden OFF-Programm präsentiert werden. Jede Ecke der Stadt verwandelt sich in eine Galerie und bietet eine unglaubliche Bandbreite fotografischer Ausdrucksformen. Es ist diese unglaubliche Dichte an kreativer Energie, die mich auch dieses Mal wieder aufs Neue packte.

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Inspiriert durch: Keisha Scarville, Alma

Einige Ausstellungen haben mich besonders beeindruckt und diese möchte ich hier gerne näher vorstellen:

Die Ausstellung von Nan Goldin, „Stendhal Syndrome (2024)“, fand ich äußerst interessant. Die Gegenüberstellung ihrer – im wahrsten Sinne des Wortes – intimen Porträts von Freunden und Liebenden mit klassischen Meisterwerken war eine beeindruckende Inszenierung. Dabei ging es nicht nur um die Bilder selbst, sondern um ihre Neukontextualisierung, die erweiterte Erzählungen schuf. Diese Fähigkeit, Vertrautes neu zu sehen und neue Bedeutungen zu finden, ist eine Essenz, die mich auch in meiner abstrakten Fotografie antreibt.

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Inspiriert durch: Agens Geoffray, They Stray – They Persist – They Thunder

Auch die Ausstellung von David Armstrong war etwas Besonderes. Seine Porträts und Momentaufnahmen einer New Yorker Gegenkultur-Generation ließen mich regelrecht in die damalige Zeit eintauchen. Die Rohheit und Direktheit seines Blicks, oft gepaart mit den Spuren der Zeit auf seinen Kontaktbögen, zeugen von tiefer Menschlichkeit. Er vermittelt ein einzigartiges „Zeitgefühl“, das über das rein Abbildende hinausgeht. Es zeigt, wie Fotografie mehr als nur ein Abbild sein kann – sie fängt Gefühle und ganze Ären ein.

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Inspiriert durch: Kikuji Kawada, Endless Map Invisible

Die brasilianische Moderne, präsentiert in „CONSTRUCTION – DECONSTRUCTION – RECONSTRUCTION“, sprach mich visuell besonders an. Die Fotografien zeigten wunderbar klare, oft geometrische und architektonisch inspirierte Linien – ein echtes Fest für das Auge, das Formen und Strukturen liebt. Die Ausstellung beleuchtete die Arbeit des Foto Cine Clube Bandeirante (FCCB) und zeigte, wie eine Gruppe von Amateuren die brasilianische Fotografie revolutionierte. Sie experimentierten mit allem, von konventionellen Ansätzen bis hin zu Fotogrammen und Fotomontagen. Es war faszinierend zu sehen, wie Fotografie hier als Werkzeug diente, um die sich wandelnde Stadt und Gesellschaft Brasiliens der 1940er Jahre zu hinterfragen – eine Zeit großer Transformation und dem Aufkommen künstlerischer Avantgarden, ähnlich den modernen Architekturen Oscar Niemeyers.

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Besucher im Ecole Nationale Suplementaire de la Photographie

Auch die Archivarbeit in „IN PRAISE OF ANONYMOUS PHOTOGRAPHY“ war außergewöhnlich. Die Kuratierung und Inszenierung dieser Sammlung von fast 10.000 anonymen Silberabzügen aus über einem Jahrhundert war unglaublich spannend. Man blickte in unzählige fremde Leben, eingefangen in privaten Schnappschüssen, wissenschaftlichen Aufnahmen oder sogar skurrilen Serien wie der des Apothekers, der seine Kunden heimlich fotografierte, oder von Lucette, die sich selbst über 25 Jahre verschwommen auf ihren Reisefotos festhielt. Diese Art der Fotografie, die ursprünglich oft nur einen praktischen oder funktionellen Hintergrund hatte, offenbart die Genialität und Unbegrenztheit des „amateurhaften“ Blicks – ein schöner Kontrast zur hochglanzpolierten Kunstfotografie und eine Erinnerung daran, dass jedes Bild eine Geschichte und eine einzigartige Perspektive spiegelt.

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Inspiriert durch: Kikuji Kawada, Endless Map Invisible

Die Inszenierung und die Fotos von Letizia Battaglia waren zutiefst beeindruckend – eine schonungslose Dokumentation im Auge der Mafia. Ihre 160 Bilder, gezeigt in der Chapelle Saint-Martin du Méjan, zeugen von ihrem unermüdlichen sozialen Engagement. Sie zeigen ihre einzigartige Fähigkeit, die Brutalität der Mafia-Gewalt, aber auch die Würde der Verletzlichsten, die soziale Komplexität Palermos und die raue Schönheit Siziliens festzuhalten. Diese Fotografie scheut sich nicht, die Wahrheit zu zeigen und entwickelt dabei eine immense Intensität.

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Inspiriert durch: Beatice Helg, Geometries of Silence

Ein weiteres bemerkenswertes Erlebnis war die herausragende Ausstellung von Beatrice Helg, deren klare Formen mich tief beeindruckten. Ihre Arbeiten zeugten von bemerkenswerter Präzision und Ästhetik und waren in einem liebevoll kuratierten Umfeld des Museum Réattu zu sehen, das selbst schon ein Kunstwerk ist.

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Inspiriert durch: Ausstellung Spells

Jenseits des Offiziellen: Meine Entdeckungen im OFF-Programm & persönliche Impulse

Ein Highlight meiner Reise war definitiv das „Book Signing“, organisiert vom burn Magazin, einer bekannten Online-Plattform für zeitgenössische Fotografie. Das Magazin, gegründet vom renommierten Fotografen David Alan Harvey (Magnum Photos), versteht sich als digitale Bühne für dokumentarische, erzählerische und künstlerische Fotografie. Es war ein besonderes Erlebnis: Nicht nur meine Freunde Susanne Bartels (Buch: City Sufers) und Marc de Tollenaere stellten ihre neuesten Buchprojekte vor, sondern ich durfte auch viele beeindruckende Fotografinnen und Fotografen und ihre neuesten Bücher beziehungsweise erste „Dummies“ kennenlernen, darunter:

Alejandra Martínez Moreno und David Alan Harvey gestalteten das Event zu einem unvergesslichen Erlebnis, das sich in seiner Atmosphäre und seinem Netzwerk sicher nur schwer wiederholen lässt.

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Inspiriert durch: Batia Suter, Octahydra

Neben dem offiziellen Programm verlor ich mich auch im riesigen OFF-Programm und besuchte über 60 Ausstellungen. Hier machte ich immer wieder unerwartete Entdeckungen. Manchmal waren es nicht die großen Namen oder die umfassendsten Konzepte, die mich tief ansprachen, sondern einzelne, oft unscheinbare Bilder, eine bestimmte Lichtstimmung oder die Ausstellungsräume selbst, die eine abstrakte Resonanz in mir auslösten

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Besucher im Palais de l’Archeveche

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf den Pianisten und Fotografen Romain Thiery verweisen, dessen Serie „Requiem for Pianos“ verlassene Klaviere in verfallenen Häusern zeigt. Eine Arbeit, die eine unglaubliche Recherche erfordert haben muss! Es ist eine faszinierende Serie, die das langsame Vergehen der Zeit und die Schönheit des Verfalls einfängt. Thiery zeigt, wie ein einst belebtes Objekt zu einem melancholischen Mittelpunkt in einer vergessenen Umgebung wird und dabei eine ganz eigene melancholische Ästhetik entwickelt.

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Inspiriert durch die Ausstellung Spells

Abseits des offiziellen Programms gab es ebenfalls viele spannende Entdeckungen, darunter die Arbeiten von William Ropp. Seine Fotografie zeichnet sich durch eine mysteriöse, traumartige Atmosphäre aus. Er spielt häufig mit Licht und Schatten, um tief emotionale und fast surreale Bilder zu schaffen. Seine Porträts strahlen eine geradezu dunkle Intensität aus, die den Betrachter in eine andere Welt versetzt..

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Luma Gebäude, Arles

Arles als kreativer Katalysator: Wenn die Stadt zur Leinwand wird

Genau diese Impulse brachten mich dazu, auch selbst in Arles mit der Kamera unterwegs zu sein – nicht, um die Ausstellungen zu dokumentieren, sondern um die Stadt und das Festival durch meine abstrakte Brille zu sehen. Oft waren es die Zwischentöne, die Details, die Kunstwerke selbst, die meine Aufmerksamkeit erregten. Diese Momente, in denen sich die Realität auflöst und zu reiner Form, Farbe und Textur wird, faszinieren mich als Künstlerin am meisten. Alle Bilder in diesem Artikel sind in diesem Zusammenhang entstanden, die jeweiligen Künstler oder Ausstellungsräume habe ich als Inspirationsquelle genannt.

250708 Arles MRK 4260 Beatice Helg Exhibit Geometries of Silence Musee Reattu 12 Verbessert RR
Inspiriert durch: Beatice Helg, Geometries of Silence

Arles bleibt für mich ein jährliches Ziel, ein Ort, der meine kreative Seele nährt und meine Sicht auf die Welt – und damit auch auf meine abstrakte Fotografie – immer wieder neu kalibriert. Die Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen fotografischen Visionen sind ein Katalysator für meine eigene künstlerische Entwicklung. Ich bin gespannt, welche neuen Abstraktionen ich aus diesen Eindrücken in den nächsten Monaten entwickeln werde.